Thorn.Eleven | de

Still war es zwischenzeitlich geworden um Thorn.Eleven. Doch sie sind wieder da. Frisch, unverbraucht und voller Energie ist die Heidelberger Band zurück und präsentieren sich so, als ob eine Last abgefallen wäre. Fast schon sieht es danach aus, als hätten sie ungezähmte Power von Newcomern wiedergewonnen. „Irgendwie sind wir wieder da angekommen, wo wir angefangen haben“, sagt Sänger David Becker und bringt damit die Entwicklung der Combo auf den Punkt.

Es besteht kein Zweifel: Für Thorn.Eleven hat sich ein Kreis geschlossen. Von daher passt der Titel des aktuellen Albums hervorragend: „Circles“. „Das ist zwar nur ein Zufall, aber vielleicht hat das ja etwas Schicksalhaftes“, meint Becker. 1996 hatte sich die Band gegründet, die sich in der Folge in der Szene mit dem selbstproduzierten „Inside“-Album (1998) sehr schnell einen Namen machte und nach der Veröffentlichung des selbstbetitelten Labeldebüts (2001) und dem Nachfolger „A Different View“ (2004) auch in der breiteren Öffentlichkeit einen äußerst beachtlichen Bekanntheitsgrad errang. Doch gerade in dieser Phase der Bandgeschichte begannen die Probleme. „Es gab jede Menge Enttäuschungen“, erinnert sich Gitarrist Matthias Heinz zurück, „denn wir hatten immer das Gefühl, dass uns niemand richtig vertritt.“ Ein riesiges kreatives Potenzial lag in den Händen anderer, die jedoch nur wenig Interesse daran zeigten, Thorn.Eleven zu unterstützen. Versprochen wurde vieles von Plattenfirma, Verlag und Management, gehalten wurde nur wenig. „Ab dem Moment, in dem wir die Kontrolle aus unserer Hand gegeben haben, hat sich vieles sehr ungünstig entwickelt“, fügt Bassist Kai Mücke hinzu. Insofern war es nur ein logischer Schritt, dass Thorn.Eleven die Möglichkeit ergriffen hat, um sich von den Fesseln zu lösen, die der eigenen Kreativität angelegt wurden.

Doch nicht nur die Unzufriedenheit mit den damaligen Vertragspartnern sorgte für reichlich Frust im Lager der Heidelberger, hinzu kamen interne Probleme. Nachdem nach einem kurzen Intermezzo von Björn Lücker der Schlagzeuger der Urbesetzung, Mathias Wienand, wieder den Weg hinter die Kessel fand, war das Schiff aber längst nicht in ruhige Gewässer gesteuert. „Zunächst ging es wieder gut vorwärts, was aber irgendwann einen jähen Abbruch erfahren hat. Es war, als ob drei versuchen, den Karren zu ziehen, einer jedoch stehen bleibt“, erklärt Heinz. Es folgte die neuerliche Trennung und das Schrumpfen vom Quartett zum Trio. „Wir hatten eben eine Phase, in der es nicht weiter ging, in der wir uns im Kreis gedreht haben“, liefert Mücke einen weiteren Interpretationsansatz für den Titel des neuen Machwerks.

Die Suche nach einem neuen Drummer gestaltete sich schwierig. Da jedoch bereits jede Menge neuer Songs auf Halde lagen und in manchem Kreativitätsschub schnell neue Kompositionen hinzu kamen, entschloss sich Thorn.Eleven, ins Studio zu gehen und das vorhandene Material aufzunehmen. Für die Aufnahmen sicherten sie sich die Trommelkünste von Kai Bergerin, der unter anderem die Felle der Darmstädter Death-Metaller Disbelief bearbeitet. „Als er bei den Aufnahmen hinter dem Schlagzeug saß, hat uns dies irgendwie noch einen zusätzlichen Schub gegeben. Im Verlauf der Arbeiten brachte er sich immer mehr ein und irgendwann war deutlich erkennbar, dass es für ihn weit mehr war als nur ein Job, sondern dass er tatsächlich von den Songs überzeugt war“, skizziert Mücke die Entwicklung, die sich damals ergab. Das Resultat war, dass sich Bergerin bereit erklärte, künftig dauerhaft als Drummer zur Verfügung zu stehen.

„Wir sind ins Studio gegangen, um Ballast loszuwerden, um mit den Aufnahmen der Songs praktisch ein Kapitel abzuschließen“, spricht Becker von „Frustaufnahmen“, die sich aber nicht zuletzt durch das Mitwirken des neuen Schlagzeugers zu großem Spaß wurden. Ohne Zeitdruck wurden die Studioarbeiten angegangen, weshalb viele Möglichkeiten zum Experimentieren blieben. Mit „Circles“ ist auf diese Weise das wohl authentischste Album entstanden, das Thorn.Eleven jemals aufgenommen hat. Der Weg führte die Band wieder verstärkt in die härteren Gefilde. Auch die Melodien haben teilweise einen etwas düstereren Anstrich, was die Unzulänglichkeiten widerspiegelt, die die Band zu überstehen hatte. „Das war allerdings kein Vorsatz, das hat sich einfach so ergeben“, versichert Mücke. Allerdings stellt diese etwas andere Stimmung, die im Vergleich zu den Vorgängeralben in „Circles“ transportiert wird, in keiner Weise einen Bruch zu dem dar, wofür Thorn.Eleven bekannt ist. So finden sich auf dem neuen Album zwölf Klangperlen wieder, die sich gewohntermaßen irgendwo in der Schnittmenge von gitarrenlastigem Grunge, Metal und einfachem Rock bewegen – also fernab der Nu-Metal-Schublade, in die Thorn.Eleven aus welchen Gründen auch immer in aller Regelmäßigkeit gesteckt werden – und bei denen die Musiker erneut ihre Affinität zu eingängigen Melodien beweisen. Variabler Gesang, harte und einprägsame Gitarrenriffs, treibende Drumbeats mit geschickten Breaks, ein druckvoller Bass fügen sich in einer guten Dreiviertelstunde Spielzeit zu einem harmonischen Gesamtbild zusammen, was der erfrischenden Wildheit und den variantenreichen Grooves, die seit jeher die Besonderheit der Thorn.Eleven-Songs ausmachen, jedoch keinen Abbruch tut. Entstanden ist so ein Album, das sich möglicherweise nach dem ersten Höreindruck nicht vollständig erschließt. „Ja, vielleicht ist das eine Platte, mit der man sich beschäftigen muss, um einen kompletten Zugang zu ihr zu bekommen“, mutmaßt auch der Thorn.Eleven-Bassist. „Circles“ ist ein Album geworden, das entdeckt werden muss, und genau dies macht den besonderen Reiz aus. Bekanntlich sind es aber auch gerade diese Alben, die einen nachhaltigen Eindruck hinterlassen.

Erstmalig wird die Band die neuen Songs zum Download im Internet bereitstellen – und dies sogar kostenlos. „Wir haben inzwischen ja schon wieder viel neues Material, weshalb es endlich an der Zeit ist, diese Songs zu veröffentlichen“, spricht Mücke einen Beweggrund für diese ungewöhnliche Entscheidung an. „Mir ist es lieber, wir haben 20.000 Downloads, an denen wir nichts verdienen, als 5000 Alben zu verkaufen, bei denen für uns auch nichts hängen bleibt“, fügt Becker eine weitere Überlegung an. Für alle Fans, denen es lieber ist, eine schön gestaltete CD in den Händen zu halten, gibt es natürlich auch die Möglichkeit, „Circles“ in einer solchen Form zu bestellen. Und jeder Besteller kann sich sicher sein, dass auf diese Art die Band direkt unterstützt wird und sich nicht erst noch eine Vielzahl von Profiteuren an den Einnahmen bedienen.

Ob nun als Download aus dem Netz oder als bestellte Version: Sicher ist, dass Thorn.Eleven mit „Circles“ ein hochinteressantes Machwerk mit den Zugaben von düsterer Heavyness, ein wenig Melancholie, befreiender Wut und spielerischer Ungezwungenheit fertiggestellt haben, das das Ende eines alten und den Beginn eines neuen Kapitels gleichermaßen beschreibt. Der Kreis hat sich geschlossen und deshalb ist die Zeit reif für einen neuen Anfang.

Line-Up:

David Becker - vox,gtr
Kai Mücke - b
Matthias Heinz - gtr,vox
Kai Bergerin - dr .