eurodance #10 | de

Eurodance [ˈjʊrəʊˌdæns] (engl. „Eurotanz“, auch Dancefloor [ˈdænsflɔː], engl. „Tanzfläche“) bezeichnet eine Stilrichtung innerhalb der elektronischen Tanzmusik, die beginnend in den 1980er bis Ende der 1990er Jahre vor allem in Europa sehr populär war und zahlreiche Charterfolge hervorbrachte. Charakteristisch ist eine Kombination aus Dance-Rhythmus, Pop-Refrain und Rap-Strophe.

Merkmale
Verwendet werden in aller Regel, von den Vocals abgesehen, ausschließlich elektronische Klänge, wie in allen Bereichen der elektronischen Tanzmusik. Der typische Rhythmus ist ein monotoner Dance-Beat im 4/4-Takt bei 110 bis 180 BPM, und der Gesang wird meist mit Streicherarrangement und einer Basslinie unterlegt, wozu elektronische Klangerzeuger wie Sequenzer und Drumcomputer eingesetzt werden, ähnlich wie beim Synthie Pop. Die Drumcomputer-Beats ähneln sehr stark denjenigen, die bei Stilen wie Techno und House verwendet werden, mit einer pumpenden Bassdrum auf den ungeraden und einer geschlossenen Hi-Hat auf den geraden Achteln, sowie Snare- oder Handclap-Sounds auf jedem zweiten Viertel. Zusätzlich werden die Beats mit einer Wobble Bass Linie unterlegt, ähnlich wie beim Dubstep. Die Refrain-Melodie ist harmonisch und wird meist durch Strophen mit Rapeinlagen unterbrochen. Typisch ist ein Wechselspiel zwischen einer weiblichen Singstimme (Refrain) und männlichem Sprechgesang (Strophe). Wenn keine Rapeinlagen vorkommen, wird der Titel meist von nur einem Sänger oder Sängerin gesungen, wobei die Rapparts durch gesungene Strophen ersetzt werden. Auf den Refrain folgen häufig einprägsame instrumentelle Akkordmuster. Nicht selten werden auch Reggae-Elemente verwendet. Die Texte sind bis auf wenige Ausnahmen in englischer Sprache gehalten. Besungene Themen sind Liebe, Musik, Tanzen und Feiern. Normalerweise repräsentieren ausschließlich die Sänger(innen) und Rapper, selten mehr als drei Mitglieder, das Dance-Projekt in der Öffentlichkeit, während die Produzenten der Musik im Hintergrund bleiben.

Geschichte
Die frühen Titel, die sich dem Genre Eurodance zuordnen lassen, stammen im Gegensatz zu späteren Produktionen nicht aus rein kommerziell ausgerichteten Hitschmieden. Vielmehr steckten dahinter DJs und Produzenten, häufig aus dem Raum Frankfurt und dem Umfeld des dort beheimateten Clubs Dorian Gray, die in ihrer musikalischen Grundausrichtung in erster Linie auf cluborientierte Stile wie Techno, EBM und Trance spezialisiert waren, neben ihrer DJ-Tätigkeit aber auch nach Möglichkeiten suchten, diese elektronische Clubmusik für das Radio und für die Charts kompatibel zu machen. Zu nennen wären hier beispielsweise die in Frankfurt ansässigen DJs und Produzenten Torsten Fenslau, Michael Münzing und Luca Anzilotti, Jam El Mar, Mark Spoon und DJ Dag. Siehe hierzu auch: Sound of Frankfurt.

Diese Produzenten waren in den 1980er-Jahren mit moderner elektronischer Tanzmusik wie Synthpop, Italo Disco bzw. Euro Disco und früher Techno-Musik "großgeworden", weshalb diese Stile ihren Sound entscheidend prägten. Auch der in der ersten Hälfte der 1980er populäre Tanzsound des Hi-NRG hatte einen unüberhörbaren Einfluss.

Die frühen Vorläufer der späteren Eurodance-Musik, wie beispielsweise Pump Up the Jam (1989) von Technotronic oder The Power (1990) von Snap! waren zum Teil noch stark Hip-Hop-orientiert, zeigten aber bereits die später immer stärker sichtbare Verbindung zu elektronischer Tanzmusik, wie sie beispielsweise auch beim im Herbst 1990 veröffentlichten Titel Gonna Make You Sweat (Everybody Dance Now) des US-amerikanischen Produzententeams C+C Music Factory und vielen anderen Produktionen dieser Zeit zu hören ist. Diese „Vorphase“ des Eurodance wird häufig auch als Hip House bezeichnet. Als sich mit den fortschreitenden 1990er-Jahren in den Diskotheken Europas tanzbetontere Stile wie House und Techno immer größerer Beliebtheit erfreuten, wurde auch die Musik der Eurodance-Produzenten immer clublastiger. Besonders hervorzuheben ist dabei die „pumpende“ Bassdrum und die zunehmend computerorientierte Produktionsweise (in den 1980er-Jahren wurde in der Elektronischen Musik noch hauptsächlich mit Hardware-Sequencern gearbeitet). Auch die neue elektronische Musikrichtung Trance wurde ab 1992 in den Clubs immer beliebter und fand entsprechenden Einschlag in den kommerzielleren Produktionen dieser Tage.

Auch wenn der Übergang zwischen Euro Disco, Hip House und Eurodance fließend ist, kann man den Track Rhythm Is a Dancer (1992) von Snap! als erste wichtige Landmarke des Genres bezeichnen, der auch gleich Platz 1 der deutschen Charts erreichte. Das Erfolgskonzept dieses Songs (technolastiger Beat, weibliche Soulstimme, männlicher Rapper), das schon zuvor von Projekten wie Twenty 4 Seven oder Ice MC verwendet worden war, wurde schnell von anderen Produzenten entdeckt, so dass schon bald Titel wie It’s My Life von Dr. Alban, More and More vom Captain Hollywood Project und Mr. Vain von Culture Beat 1992/93 die Charts stürmten. Ein früher Eurodance-Titel, der ohne Rap-Einlagen auskam, war What Is Love (1993) von Haddaway. Diese Titel waren so erfolgreich (alle Nummer-eins-Hits in Deutschland außer Haddaway; Platz 2), dass das Konzept anschließend vielfach von anderen Produzenten übernommen wurde. In den folgenden Jahren entfernte sich das Genre zunehmend von seinen Club-basierten Wurzeln und wurde immer kommerzieller und chartsorientierter. Weit verbreitet war der Stil zwischen 1992 und 1996 mit dem Höhepunkt in den Jahren 1993/94, als der Großteil der Chart-Hits diesem Genre zugeordnet werden konnte. Sehr beliebt war der Stil ebenfalls bei Fahrgeschäften auf Jahrmärkten und wurde daher abwertend auch Kirmestechno genannt. Danach wurden von VIVA, im Gegensatz zu den vorangegangenen Jahren, kaum noch Eurodance-Nummern in die Playlist aufgenommen. Die Verkaufszahlen sanken deutlich und nur noch vereinzelt gelang der Einstieg in die Charts.

Der Begriff „Eurodance“ entstand erst nach dem kommerziellen Abebben dieses Genres. Der Name wurde für Sampler gewählt, auf denen ehemalige Charterfolge nochmals vermarktet wurden. Zuvor wurde diese Musikrichtung häufiger als Dancefloor oder einfach „Dance“ bezeichnet.

2003 veröffentlichten mehrere Eurodance-Interpreten wie etwa SNAP! (Rhythm Is a Dancer 2003), Culture Beat (Mr. Vain Recall) oder Masterboy (Feel the Heat of the Night 2003) neue Versionen oder Remixe ihrer größten Hits. Ein richtiges Comeback gelang aber niemandem.

Aus der Eurodance-Zeit sind DJ BoBo und Scooter zwei der wenigen Künstler, die bis heute erfolgreich in regelmäßigen Abständen Singles und Alben veröffentlichen, welche aber großteils anderen Genres der elektronischen Tanzmusik wie z. B. Hands up oder Jumpstyle angehören.

Ähnlich wie die 1980er-Jahre oft mit dem Synthie Pop assoziiert werden, wird Eurodance heute oft – neben anderen Stilrichtungen wie Techno – als typische Musik der 1990er-Jahre angesehen. Dies äußert sich beispielsweise auf sogenannten „90er Jahre-Partys“, auf denen Eurodance eine der meistgespielten Stilrichtungen ist. Im Radio jedoch ist die Musikrichtung aus den Programmen der großen Radiosender praktisch vollkommen verschwunden.

Verwandte Stile
Bevor Eurodance erfolgreich wurde, gab es bereits Musikrichtungen mit ähnlichen Stilelementen. Mehrere der späteren Eurodance-Formationen veröffentlichten zuvor Titel in einem Stil, der auch als Hip House bezeichnet wird. Zu diesen Formationen zählen Technotronic (Pump Up the Jam, This Beat Is Technotronic), Snap! (The Power, Ooops Up) und Twenty 4 Seven (I Can’t Stand It). Bei diesen Titeln gibt es bereits ein Wechselspiel zwischen Gesangs- und Rapeinlage, allerdings ist der eurodanceartige Techno-Rhythmus noch nicht vorhanden und die Refrains sind meist weniger poppig. Technolastiger sind The KLF (What Time Is Love?) und The Shamen (Love Sex Intelligence).

Etwa zeitgleich zur Erfolgswelle des Eurodance gab es einige Dance-Formationen aus den USA, die international erfolgreich waren. Die Musik dieser Gruppen wird als US-Dancefloor bezeichnet. Bekannte Interpreten sind Reel 2 Real (I Like to Move It), 20 Fingers (Short Dick Man) und Outhere Brothers (Boom Boom Boom).

Mit nachlassendem Erfolg des typischen Eurodance-Konzepts war ein ähnlicher Sound zunehmend erfolgreich. Dieser verzichtete jedoch auf Rapeinlagen, war schneller und verwendete gepitchte Stimmen für Gesangseinlagen. Bekannte Vertreter dieses häufig als Happy Hardcore bezeichneten Sounds sind Mark ’Oh (Tears Don’t Lie), Dune (Hardcore Vibes), Interactive (Living Without Your Love) und Scooter (Endless Summer). Ein anderer eurodanceähnlicher Sound behielt die Rapeinlagen bei, tauschte jedoch die Techno- gegen Hip-Hop-Beats und brachte zwischen 1996 und 1998 unter der Rubrik "Euro-Rap" Interpreten wie C-Block (Time Is Ticking Away), Down Low (Jonny B), T.C.A Microphone Mafia (Mic Mafia) und Nana (Lonely) hervor. Gelegentlich schafften jedoch auch nach 1997 noch typische Eurodance-Titel den Sprung in die Charts, vor allem solche von Modern Talking, die sich nach ihrer Wiedervereinigung im Jahr 1998 diesem Musikstil widmeten.

In den frühen 2000ern entstand aus Eurodance und Elementen des Hard Trance die Musikrichtung Hands up. Typische Vertreter dieses Genres sind Basshunter und Cascada .