Bob Dylan | de

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Bob Dylan [ˈdɪlən] (* 24. Mai 1941 als Robert Allen Zimmerman in Duluth, Minnesota) ist ein US-amerikanischer Folk- und Rockmusiker und Lyriker. Der Sänger spielt Gitarre, Mundharmonika, Orgel und Klavier. Er gilt als einer der einflussreichsten Musiker des 20. Jahrhunderts.

Dylan begann Ende der 1950er Jahre nach Rock 'n' Roll-Jahren in Schülerbands als Folkmusiker und wandte sich Mitte der 1960er Jahre der Rockmusik zu. Seine Texte waren zu Beginn seines Schaffens von der Folkbewegung und einem ihrer bekanntesten Vertreter, Woody Guthrie, später auch von symbolistischen Dichtern wie Arthur Rimbaud und Charles Baudelaire, aber auch von der Bibel beeinflusst.

Leben
Kindheit und Jugend
Bob wurde als erstes Kind von Abraham „Abe“ Zimmerman (1911–1968) und seiner Frau Beatrice „Beatty“ Stone (1915–2000) im Mittleren Westen der USA geboren. Seine Eltern waren Nachfahren deutsch-ukrainisch-jüdischer Immigranten, die 1905 aus Odessa in die Vereinigten Staaten übergesiedelt waren. Im Februar 1946 wurde sein jüngerer Bruder David Benjamin geboren. Zur selben Zeit erkrankte sein Vater an Poliomyelitis und verlor seine Stellung als leitender Angestellter bei der Standard Oil Company. Um der drohenden Verarmung zu entgehen, zogen die Zimmermans zu Bobs Großeltern nach Hibbing, Minnesota, wo Vater Abe Partner seiner beiden Brüder wurde, die als selbständige Elektriker arbeiteten.

Dylan hörte in seiner Jugend die Musik von Hank Williams, Little Richard, Chuck Berry und Buddy Holly. „Ich wollte immer schon Gitarrist und Sänger sein. Seit ich zehn, elf oder zwölf war, war dies das einzige, was mich interessierte … Henrietta war die erste Rock-'n'-Roll-Platte, die ich hörte.“ Er war auch schon früh an Literatur interessiert. So begeisterte er sich unter anderem für Bücher von John Steinbeck. Von seinen Eltern wurde sein musikalisches Talent gefördert. Unter der Anleitung eines Cousins lernte er zunächst Klavier spielen, bevor er zur akustischen und später zur elektrischen Gitarre wechselte. In dieser Zeit spielte er häufig Blues-Standards nach, die er im Radio hörte. Besonders beeindruckt war er von Elvis Presleys ersten Stücken, er brachte sich dessen Version von Blue Moon of Kentucky auf der Gitarre bei. Dieses Stück spielte er noch bis 1999 auf seinen Konzerten.

In der High School traf er Gleichgesinnte, die seinen Musikgeschmack teilten, und so war er schon bald Mitglied der A-cappella-Gruppe The Jokers, die vorwiegend auf Feiern auftrat. Aus ihr gingen später The Golden Chords hervor, deren Spielplan aus Coverversionen von Little-Richard-Stücken bestand. Mit dieser Band nahm er an einem Talentwettbewerb in Duluth teil und war sehr enttäuscht, als der erste Preis an eine Gruppe von Pantomimen ging.

Zu dieser Zeit trat er noch unter dem Namen „Bobby Zimmerman“ auf. Da ihm Musik und Auftritte immer wichtiger wurden, entschloss er sich dazu, seinen Nachnamen durch einen Künstlernamen zu ersetzen. Seine Wahl fiel auf „Dylan“, eine Entscheidung, zu der er sich im Laufe seiner Karriere unterschiedlich geäußert hat. So will er sich nach der Figur des Matt Dillon aus der damals populären Fernsehserie Rauchende Colts benannt haben, aber um sich von ihr abzugrenzen, habe er den Namen mit veränderter Schreibweise übernommen. Eine bekanntere und wahrscheinlichere Möglichkeit ist, dass sich der Name an den Dichter Dylan Thomas anlehnt, den er bewunderte und von dem er einige Bücher besaß. Er hat auch schon behauptet, der Name sei ihm einfach so eingefallen.

Im Herbst 1959 verließ Dylan nach eigenen Angaben die „Wildnis“ und schrieb sich für einen Kunststudiengang mit Hauptfach Musik an der University of Minnesota in St. Paul ein. Dort besuchte er zwar nicht einen Kurs, kam aber mit der Folkmusik von Pete Seeger, The Kingston Trio und Woody Guthrie in Berührung. Besonders Guthries Technik, einen Folkstandard mit eigenen Texten und veränderter Phrasierung zu erneuern, faszinierte ihn. Später wandte er diese Technik selbst an. Seeger war eine Ikone der Linken und musikalisches Vorbild für ihn.

Ende Dezember 1960 besuchte er seine Eltern und teilte ihnen mit, er wolle eine Karriere als Musiker einschlagen. Die reagierten zunächst verärgert, denn sein Vater wollte ihn eigentlich in sein Geschäft aufnehmen. Sie gaben Dylan schließlich ein Jahr Zeit; so lange könne er machen, was er wolle. Sollte sich bis dahin kein Erfolg einstellen, müsse er zurück an die Universität und „etwas Richtiges“ lernen.

Bob Dylan als Folksänger
Über Umwege gelangte Dylan im Januar 1961 in den New Yorker Stadtteil Greenwich Village, der sich zu einem Anlaufpunkt für Künstler entwickelt hatte. Niedrige Mieten sorgten in den 1940er Jahren für einen Zulauf von Musikern, zu denen in den 1950ern die Beatniks kamen. Letztere wurden zunehmend politisch in ihren Werken und sorgten für einen steten Zustrom von Besuchern aus allen Bundesstaaten. Ihre Auftritte in den sogenannten Coffeehouses waren so gut besucht, dass die Bürgersteige rund um den zentral gelegenen Washington Square Park an den Wochenenden überfüllt waren und für den Verkehr gesperrt werden mussten. Anfang der 1960er Jahre wurde die Beatnik-Bewegung durch die Folk-Musik ergänzt, und Musiker wie Fred Neil, Phil Ochs und Tom Paxton hatten ihren ersten Auftritt im Village. Der Gitarrist und Sänger Dave Van Ronk und die Sängerin Odetta Holmes übten auf Dylan, der nur über das Zuhören viele Stilrichtungen aufsaugen konnte, eine starke Wirkung aus.

Dylan lernte dort auch seine erste große Liebe kennen, Suze Rotolo, die ihn nicht nur künstlerisch inspirierte, sondern auch seinen gesellschaftskritischen Blick schärfte. Sie machte ihn mit den Büchern der französischen Symbolisten Arthur Rimbaud, Paul Verlaine und Charles Baudelaire bekannt. Die wechselvolle Beziehung inspirierte ihn zu den sogenannten Love/Hate-Songs wie Don't Think Twice, It's All Right, Boots of Spanish Leather und Ballad in Plain D, mit denen er die damals übliche Form des romantisch verklärten Lovesongs um eine bittere Variante erweiterte.

Er besuchte auch sein Idol Woody Guthrie im Krankenhaus. Dieser befand sich bereits im Endstadium der unheilbaren Huntington-Krankheit und war ans Bett gefesselt. Da eine Unterhaltung mit ihm sehr mühselig gewesen wäre, spielte Dylan ihm stattdessen Guthrie-Songs vor. Seine Bewunderung für ihn und die Eindrücke von diesen Besuchen verarbeitete er später in Song to Woody, eine seiner ersten Eigenkompositionen.

Seinen ersten professionellen Auftritt absolvierte Dylan am 11. April 1961 im Gerde's Folk City im Vorprogramm von John Lee Hooker. Nachdem er mit Erfolg in kleinen Clubs aufgetreten war, machte er erste Schallplattenaufnahmen als Mundharmonikaspieler auf einem Album von Harry Belafonte. Am 29. September erschien in der New York Times ein sehr wohlwollender Artikel über ihn. Der legendäre Impresario John Hammond wurde auf ihn aufmerksam und nahm ihn am 25. Oktober 1961 für das Major-Label Columbia unter Vertrag. Nach den Konditionen des Vertrages, der zunächst auf fünf Jahre angesetzt war, standen ihm ein kleiner Vorschuss und lediglich fünf Prozent der Einnahmen aus den Plattenverkäufen zu. Dies kümmerte ihn aber nicht, da er froh war, überhaupt einen Plattenvertrag zu erhalten. Suze Rotolo, die große Liebe und Freundin dieser Jahre, gewann in der Zeit der ersten Erfolge einen kritischeren Blick auf Dylan:

„Der Erfolg [verwandelt] meinen Freund mehr und mehr in einen Egozentriker. […] Die Persönlichkeit verändert sich, sobald sie allen ein Begriff wird. Sie entwickeln eine unkontrollierbare Egomanie. […] Dies kann auch bescheidensten und demütigen Personen passieren […], es macht Klick und plötzlich kann diese Person nichts mehr wahrnehmen außer sich selbst. […] Jeden Tag wird es schlimmer“
– Suze Rotolo

Während sein erstes, 1962 erschienenes Album noch vornehmlich Fremdkompositionen enthielt und wenig Aufmerksamkeit erntete, brachten seine folgenden Alben The Freewheelin' Bob Dylan und The Times They Are a-Changin' den Durchbruch. Sie enthielten neben einfachen, aber umso eindringlicheren Liebesliedern vor allem sozialkritische Songs. Blowin' in the Wind auf The Freewheelin' Bob Dylan traf den Nerv der Zeit und wurde – wenn auch zunächst in der Interpretation von Peter, Paul & Mary – zur pazifistischen Hymne einer ganzen Generation. In dem wütend-eindringlichen Masters of War verfluchte Dylan den militärisch-industriellen Komplex. Einige Lieder wie das apokalyptische A Hard Rain's A-Gonna Fall deuteten bereits auf sein außergewöhnliches literarisches Talent hin. Die Arm in Arm mit Dylan auf dem Cover der LP abgebildete Frau ist seine damalige Freundin Suze Rotolo.

Am 3. August 1963 begann seine erste große Tournee durch die USA – als Gastsänger von Joan Baez, mit der er dann auch eine Liebesbeziehung hatte. Baez war zu jener Zeit bereits ein großer Star und konnte leicht größere Hallen füllen. Dylan sang auf diesen Konzerten, wo sie ihn voller Begeisterung dem Publikum vorstellte, einige Duette mit Baez. Für Dylan bedeutete diese Tour und die Verbindung mit Baez eine enorme Steigerung seiner Bekanntheit. Auch finanziell lohnte sich die Tour – sein Manager Albert Grossman hatte für ihn eine größere Beteiligung an den Einnahmen als für Joan Baez ausgehandelt, obwohl sie der Star der Tour war. Am 28. August 1963 trat er gemeinsam mit Baez und anderen Folksängern bei der Abschlusskundgebung des Civil Rights March nach Washington auf, bei der Martin Luther King seine berühmte Rede I Have a Dream hielt.

Dylans Erfolg Anfang der 1960er Jahre fiel in eine Periode des politischen und gesellschaftlichen Wandels in Amerika. 1960 wurde John F. Kennedy zum Präsidenten gewählt. Die Zeit war geprägt vom Kalten Krieg, von Rassenunruhen, aber auch von bedeutenden sozialen Reformen. Die Jugend wurde zunehmend politischer, und die Bürgerrechtsbewegung trat immer selbstbewusster auf. Bob Dylan wurde mit nicht einmal 25 Jahren eine Symbolfigur dieser emanzipatorischen Bewegung. Die Rolle eines Idols behagte ihm jedoch nicht. Er lehnte diese Rollenzuweisung kategorisch ab. Im Laufe seiner weiteren Karriere versuchte er immer wieder, sich der Vereinnahmung durch seine Fans zu entziehen, am deutlichsten vielleicht im Wedding Song aus dem Jahr 1974: „It's never been my duty to remake the world at large, / nor is it my intention to sound a battle charge“ („Nie war es meine Pflicht, die Welt im Ganzen neu zu erschaffen, / noch ist es meine Absicht, einen Schlachtruf erklingen zu lassen“).

Bob Dylan als Rockmusiker
Ab Mitte der 1960er Jahre ließ Dylan seine bis dahin fast ausschließlich solo und auf der akustischen Gitarre gespielte Musik elektrisch verstärken und hatte jetzt auch eine Begleitband. Ein Meilenstein dieses Wechsels war 1965 sein Auftritt beim Newport Folk Festival mit der Paul Butterfield Blues Band, der bei den puristischen Freunden der Folkmusik heftige Kritik auslöste. Ein Teil des Publikums reagierte mit Buhrufen auf die elektrische Version von Maggie's Farm. Auch hinter der Bühne spielten sich dramatische Szenen zwischen den Vertretern der klassischen Folktradition und der neuen elektronischen Musik ab. So soll Dylans Vorbild Pete Seeger damit gedroht haben, die Verkabelung der Band mit einer Axt zu durchtrennen. Nach drei Stücken ging Dylan mit der Band von der Bühne ab, wurde aber von Moderator Peter Yarrow zurückgebeten; er spielte dann noch zwei Stücke in gewohnter Manier solo mit Akustikgitarre und Mundharmonika. Diese Ereignisse werden in der 2005 erschienenen Dokumentation No Direction Home - Bob Dylan von Martin Scorsese aufgearbeitet, in der unter anderem seine Jugendliebe Suze Rotolo zu Wort kommt, die sich über ihre Beziehung zu Dylan lange nicht öffentlich äußerte.

Auch auf der anschließenden Europatournee, bei der er sich von den Musikern begleiten ließ, die später unter dem Namen The Band bekannt wurden, stieß seine elektrisch verstärkte Musik teils auf heftige Ablehnung, vor allem in England. 1966 wurde er bei einem Konzert für seinen vermeintlichen „Verrat“ an der Folkmusik gar als „Judas“ beschimpft (zu hören auf The Bootleg Series Vol. 4: Live 1966 (1998)). Während dieser Tournee wurde es beinahe zu einem Ritual, dass das Publikum Dylan und seine Band ausbuhte. Dylan selbst forderte bei dem besagten Konzert seine Band dazu auf, besonders laut zu spielen.

Dylan wurde zum Rockstar, der Millionen von Schallplatten verkaufte und von Teilen der sich zunehmend politisierenden Gegenkultur als Sprachrohr betrachtet wurde. Er litt nun jedoch zunehmend unter dem Erfolgsdruck. Viele seiner alten Fans nahmen ihm seine Hinwendung zur Rockmusik übel und reagierten geradezu feindselig. Andere versuchten, ihn für sich zu vereinnahmen. Die Presse begann einerseits, ihn auf die Rolle des Idols einer Generation festzulegen, andererseits des Verrats an den Idealen der Folkbewegung zu bezichtigen. Wenn Journalisten ihn auf Pressekonferenzen durch suggestive Fragen in die Enge zu treiben versuchten, gab Dylan meist schlagfertig und leicht arrogant wirkende, absurde Antworten und ließ sie ins Leere laufen. Gleichwohl war ihm die Anspannung aufgrund der Belastung durch das Tourneeleben und die Reaktion von Presse und Publikum deutlich anzumerken. Kurioserweise werden viele der spontanen Aussagen Dylans aus jener Zeit (etwa seine ironisch gemeinte Selbsteinschätzung als „Song and Dance Man“) bis heute angeführt.

Seinen Wandel vom Folksänger zum Rockmusiker vollzog er auf drei Alben, die er in kurzer Abfolge Mitte der 1960er Jahre veröffentlichte und die heute als Klassiker der Rockmusik gelten. Auf der zweiten Seite der LP Bringing It All Back Home befinden sich ausschließlich akustisch eingespielte Songs, die A-Seite der LP bestritt Dylan aber bereits mit einer Band. Die zwei folgenden Alben Highway 61 Revisited und die Doppel-LP Blonde on Blonde enthalten fast nur elektrisch verstärkte Rocksongs. Like a Rolling Stone von Highway 61 Revisited schaffte es 1965 auf Platz 2 der Billboard-Single-Charts. Das Lied wurde später von der Zeitschrift Rolling Stone zum „Greatest Song of All Time“ gekürt, und Greil Marcus schrieb 2005 ein Buch über dessen Entstehung.

Vor allem sprachlich erreichten seine Lieder auf diesen Platten eine bis dahin in der populären Musik unerreichte Komplexität. Seine Texte waren gespickt mit Metaphern und literarischen Verweisen, außerdem tauchten Anspielungen auf Drogenerfahrungen auf. Typisch für diese Periode waren auch ausufernde, surrealistisch anmutende Wortspielereien, die Dylan in der Art des Stream of Consciousness verfasste. Solches dominiert auch das 1965 geschriebene und erst 1971 erschienene Buch Tarantula sowie die längeren Texte und Prosagedichte, die er gelegentlich auf den Rückseiten seiner LP-Cover veröffentlichte. Die berühmtesten davon sind die Eleven Outlined Epitaphs von 1964, die in den 1980er Jahren in deutscher Übersetzung von Carl Weissner auch in Buchform erschienen. Dylan wurde damals stark von den Dichtern der Beat Generation wie Jack Kerouac beeinflusst, mit Allen Ginsberg verband ihn ein freundschaftliches Verhältnis.

Ende 1965 heiratete er das Fotomodell Sara Lowndes. Die Hochzeit wurde vor der Öffentlichkeit geheimgehalten. Lowndes brachte eine Tochter aus erster Ehe in die Verbindung mit. So wurde Dylan im Alter von 24 Jahren plötzlich Familienvater. Nun schirmte er sein Privatleben erst recht strikt vor der Öffentlichkeit ab. Einer der bekanntesten der zahlreichen Songs, die er von seiner Beziehung zu Sara inspiriert schrieb, ist Sad-Eyed Lady of the Lowlands, der auf der Doppel-LP Blonde on Blonde eine der vier Plattenseiten einnimmt. Dies bekannte er nach der Trennung von seiner Frau 1975 quasi öffentlich mit dem Song Sara auf dem Album Desire. Dylan war und ist auch ansonsten äußerst zurückhaltend, was Angaben zu möglichen Adressaten seiner Lieder und Interpretationen der Inhalte seiner Texte betrifft.

Rückzug ins Privatleben
Nach einem Motorradunfall Ende Juli 1966 zog er sich für zwei Jahre völlig aus der Öffentlichkeit zurück. Das Ausmaß des Unfalls liegt bis heute im Unklaren. Er ermöglichte Dylan jedoch die radikale Abkehr von einem Lebensstil, der bei ihm – diktiert von einem übervollen und kräfteraubenden Terminkalender und seiner damals außerordentlichen künstlerischen Produktivität – nahezu eine komplette gesundheitliche und mentale Erschöpfung provoziert hatte. Dylan lebte nun in Bearsville in der Nähe des kleinen Ortes Woodstock unweit von New York und widmete sich vornehmlich seiner Frau Sara und den gemeinsamen Kindern. Er trat in den folgenden Jahren nur vereinzelt auf, so auch nicht beim legendären Woodstock-Festival in Bethel. Im ersten Teil seiner Autobiografie „Chronicles“ sagt er, dass er sich damals ein einfaches Leben mit einem Job von 9 bis 17 Uhr wünschte. Musikalisch orientierte er sich in dieser Zeit an der Country-Musik. Es entstanden zwei Alben, die er teilweise in Nashville aufnahm – das spartanisch instrumentierte John Wesley Harding und das für seine Verhältnisse sehr gefällige Nashville Skyline, auf dem er auch mit dem Country-Musiker Johnny Cash zusammenarbeitete. Die LP wurde zu Dylans bis dahin größtem kommerziellen Erfolg. Dylan bereitete so der Akzeptanz der bislang als reaktionär verpönten Country-Musik im Rocklager den Boden und wurde – neben Buffalo Springfield / Neil Young, The Byrds und Gram Parsons – zu einem Wegbereiter des Country Rock. Mit den Musikern der Band nahm er im Keller eines alten Hauses in Woodstock ein Sammelsurium teils fast vergessener Songs der US-amerikanischen Rootsmusik (Blues, Folk und Country) auf, die jahrelang als Bootlegs kursierten, bevor sie 1975 offiziell und stark gekürzt unter dem Titel The Basement Tapes veröffentlicht wurden. Häufig werden die Lieder jener Zeit als Dylans Bekenntnis zu den Freuden des einfachen Lebens als Familienvater gedeutet. Von vielen seiner alten Fans wurde ihm dafür jedoch erneut Verrat an den Idealen der Gegenkultur vorgeworfen.

Im Jahr 1969 wurde sein Sohn Jakob geboren, der mittlerweile selbst als Musiker arbeitet. Dylan hat außer ihm drei weitere Kinder: Anna, Jesse und Samuel. Sein Doppelalbum Self Portrait aus dem Jahr 1970 erschien vielen Fans als eine lieblose Sammlung uninspirierter Songs und gilt als eine seiner schlechtesten Platten. Dylan selbst bezeichnete die Veröffentlichung später als den Versuch eines Befreiungsschlags, mit dem er die von ihm als bedrückend empfundene Erwartungshaltung seines Publikums zerstören wollte. Danach veröffentlichte er zwei als respektabel, aber nicht herausragend angesehene Alben (New Morning und Planet Waves) und spielte eine kleine Rolle in Sam Peckinpahs Western Pat Garrett jagt Billy the Kid an der Seite von Kris Kristofferson und James Coburn. Er schrieb zudem die Musik zu diesem Film, darunter das ebenso hymnische wie desillusionierte Knockin' on Heaven's Door. Vor Publikum trat er nur noch selten auf, so beispielsweise 1969 beim Isle of Wight Festival oder 1971 beim Konzert für Bangladesch.

Scheidung und Hinwendung zum Christentum
Mitte der 1970er Jahre begann Dylans private Idylle zu bröckeln, als seine Ehe in eine Krise geriet. Eine spektakuläre Comebacktournee (dokumentiert auf dem Doppelalbum Before the Flood) Anfang 1974 war zwar binnen weniger Stunden ausverkauft und ein großer Publikumserfolg, die Kritiken fielen jedoch eher zwiespältig aus. Kritisiert wurde vor allem, dass er kaum neue Songs bringe und mehr „schreie als singe“. Auffallend war, dass er viele bekannte Lieder in völlig neuem musikalischen Gewand darbot und diese damit zwar einerseits revitalisierte, andererseits aber oft bis zur Unkenntlichkeit veränderte. Diese Herangehensweise an das eigene Werk hat Dylan bis heute beibehalten und sie ist zu einem Markenzeichen geworden. 1975 veröffentlichte Dylan Blood on the Tracks. Das Album wird seither als Dylans künstlerische Verarbeitung der Trennung von seiner Frau Sara interpretiert. Bob Dylan selbst hat jedoch immer wieder einen direkten Zusammenhang bestritten.

1975/76...

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