Pantha du Prince | de

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Über den Ursprung der Musik gibt es viele Theorien. Eine besagt, das erste Lied sei ein Gutenachtsong für Kinder gewesen, eine andere, dass Männer angefangen hätten zu musizieren, um den Frauen zu gefallen. Hendrik Weber alias Pantha du Prince kümmert sich nicht um solche Genealogien. Denn Musik ist auch ohne die Menschen immer schon da. Auf seinem neuen Album behauptet der in Berlin und Paris lebende Produzent und DJ: Die Musik schlummert in der Materie, jeder Sound, selbst Stille ist schon Musik. Deshalb gilt es, das Ungehörte und Unerhörte hörbar machen: Den schwarzen Lärm, eine für den Menschen unhörbare Frequenz. Oft kündet Black Noise von Naturkatastrophen, von Erdbeben oder Fluten, nur manche Tiere können diese „Stille vor dem Sturm“ hören. Black Noise ist etwas Archaisches und Lehmiges. Einige Stücke auf dem dritten Pantha du Prince-Album – und dem ersten, das auf Rough Trade erscheint - sind aus gemeinsam mit Joachim Schütz(Arnold Dreyblatt Trio) und Stephan Abry (Workshop) aufgenommenen Feldaufnahmen und Improvisationen in den Schweizer Bergen entstanden. Es stellte sich heraus, dass das Haus, in dem sie dort wohnten, neben einem Schuttberg stand, der nach einem Erdrutsch ein ganzes Dorf begraben hatte. Das Cover von „Black Noise“ erinnert an diese Verlustgeschichte. Auf der Suche nach dem magischen akustischen Moment wühlt sich Pantha du Prince durch das Klanggeröll. Er verwandelt die Materialität der auf der Schweizer Alm vorgefundenen oder eingespielten Fundamentalklänge (Naturgeräusche und Avantgarde-Folklore) in eine weit ausholende, höchst spekulative Klangarchitektur. Die Musik auf Black Noise bewegt sich dabei immer auf der rutschigen Schwelle zwischen Kunst und Natur, Techno und Folklore. Das verleiht ihr etwas Geisterhaftes und Unfassliches. Natur und Technik werden hier ununterscheidbar, alles Authentische verdampft. Ähnlich wie in Daniel F. Galouyes Roman Simulacron-3 und in Rainer Werner Fassbinders Verfilmung „Welt am Draht“ bleibt die Frage ‚Was ist künstlich, was ist echt‘ offen. Natur als Simulakrum: Auf „Black Noise“ geht es denn auch nicht um die anarchische Befreiung der Töne oder so etwas. Eher darum, wie viel Entfremdung möglich ist, ohne dass man Nerven und Orientierung verliert. Risse, Brüche und Abschweifungen sind hier keine Fehler im System, sondern treiben als akustische Mikro-Vektoren die Erzählung voran. In den Intros werden die „da draußen“ aufgenommen Quellsounds – Klopfen, Bellen, Läuten, Klimpern etc. – vorgestellt, um alsbald in das Fahrwasser psychedelisch anmutender Mutationen zu geraten. Nach dem Prinzip des Morphing überblenden sich Haupt- und Nebengeräusche wechselseitig, unterschiedlichste Klangdesigns sind im Spiel: Steel Drums oder Marimbas genauso wie Physical Modeling. Trotz aller Entgrenzungen des üblichen Technoformats bleibt die Dramaturgie immer nachvollziehbar und körperlich mitreißend. Nach einer eher düsteren Einstiegsphase kommt mit „Stick to my side“ der euphoric relief, eine postmoderne Hymne, bei der Noah Lennox alias Panda Bear von Animal Collective unnachahmlich singt. Ein anderer Gast auf „Black Noise“ ist Tyler Pope von !!! und LCD Soundsystem, er spielt Bass in „The Splendour“. Neben Detroit Techno (siehe den Balearen-tauglichen Killer „Behind the Stars“) und deepem Stolperhouse der Theo Parrish-Schule knüpft Webers introvertierte Spielart von Techno an britische Pop-Traditionen an: an Durutti Columns Avant la lettre-Shoegaze und an Noisepop. Als Bassist der Hamburger Band Stella hat Hendrik Weber ja schon genügend Erfahrung im Indierock gesammelt. Unter dem Einfluss von elektroakustischer Neo-Avantgarde (Morton Subotnick, Luigi Nono), Krautrock und deepem Techno formiert sich eine neuartige Clubmusik, die wohl am ehesten unter dem begriff "Sonic House" zu fassen wäre. „Black Noise“ verwischt eine ganze Reihe von Gegensätzen: akustisch vs. synthetisch, mächtig vs. zerbrechlich, episch vs. schüchtern, catchy vs. abgründig. Unterschiedlichste Klangquellen und Stimmungen werden ineinander geschoben und in ein grandios komponiertes Kontinuum getaucht. Pantha du Prince ist und bleibt ein romantischer Konzeptualist. Und er raunt uns zu: Selbst nach der Katastrophe ist Schönheit noch möglich, wo Geröll und Geräusch waren, soll große Kunst werden. .

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